11 Thesen zur Umsetzung des E-Rezepts

Wie gelingt eine erfolgreiche, flächendeckende E-Rezept-Nutzung? Anhand von 11 Leitthesen liefern die E-Rezept Enthusiasten konkrete Vorschläge und Handlungsempfehlungen, mit denen einer verpflichtenden Umsetzung nichts mehr im Wege steht.

Endlich tut sich etwas bei der digitalen Verordnung:

Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung werden. Der Verein der E-Rezept Enthusiasten begrüßt die Digitalisierungsstrategie des Bundesgesundheitsministeriums. Dennoch bleiben im Detail viele Fragen offen, die im neuen Digitalgesetz geklärt werden müssen. Aufgrund unserer intensiven Erfahrung mit dem E-Rezept haben wir 11 Thesen erstellt, die Strategien liefern, damit das E-Rezept reibungslos eingeführt werden kann.

3 ARGUMENTE FÜR DAS E-REZEPT

Prozessoptimierung und Arbeitserleichterung

Das E-Rezept verbessert Prozesse, Strukturen und Abläufe bei niedergelassenen Heilberufsangehörigen. Somit werden mehr Ressourcen für die Betreuung der Patient:innen geschaffen werden und es entsteht eine bessere Planbarkeit bei der Verfügbarkeit von Arzneimitteln in der Apotheke.

Ein neuer Maßstab für die Medikationsplanung

Erstmals wird eine Übersicht über die Gesamtmedikation erreicht. Somit erhöht sich die Verordnungssicherheit für die Heilberufsangehörigen und die Arzneimitteltherapiesicherheit für die Patient:innen.

Effiziente Patientenversorgung

Die Patientenversorgung wird effizienter: Dank der digitalen Übertragung kommen die Patient:innen schneller an ihre Medikation.

11 Thesen auf einen Blick

1. Verpflichtend statt verbindlich

Die E-Rezept-Enthusiasten begrüßen die Absicht des Bundesministeriums für Gesundheit, im Zuge der angekündigten E-Health-Gesetzgebung das E-Rezept zu einem verbindlichen Standard in der Arzneimittelversorgung zum 1. Januar 2024 zu machen. Damit einhergehen muss eine bundesweit verpflichtende Nutzung des elektronischen Rezepts durch alle Heilberufsangehörigen. Einer der möglichen Wege, um Zugangs- und Barrierefreiheit für alle zu bieten, ist der Abruf des E-Rezeptes per elektronischer Gesundheitskarte (eGK). Dieser sollte schnellstmöglich für alle Beteiligten zur Verfügung gestellt werden.

2. Information der Patienten und Unterstützung der Heilberufsangehörigen durch Selbstverwaltung & Politik

Um die flächendeckende Einführung des E-Rezepts in Deutschland erfolgreich zu gestalten, müssen die gesetzlichen Krankenkassen ab dem 01.07.2023 eine wirksame, nutzer- und nutzenorientierte Kommunikation starten und damit den Beschluss der gematik Gesellschafterversammlung umsetzen. Die Versicherten müssen gründlich über das E-Rezept, seine Vorteile und Einsatzmöglichkeiten informiert werden, um die Heilberufsangehörigen bei der Einführung zu entlasten.

  • Es muss eine breit angelegte Informationskampagne geben.
  • KVen, KZVen und die DKG müssen ihren Mitgliedern mindestens sechs Monate vor der flächendeckenden Umsetzung Unterstützungsleistungen und zusätzliche Ressourcen im Hinblick auf die Anpassung der Praxisabläufe bereitstellen.

3. Verknüpfung des E-Rezepts mit dem eMP und anderen TI-Anwendungen

Wir begrüßen, dass in der Digitalisierungsstrategie der versorgungsrelevante Nutzen des E-Rezepts zum Tragen kommt, indem man es mit anderen (TI-)Anwendungen verbindet. Hier bietet sich z. B. die automatische Integration der strukturierten Medikationsdaten sowohl in die ePA als auch in den elektronischen Medikationsplan (eMP) an. Dadurch erhalten die verschreibenden Ärzte eine höhere Verordnungssicherheit und die Apotheken haben umfassendere Informationen für pharmazeutische Beratungsleistungen (AMTS).

4. Papier vermeiden - neue digitale Anzeigewege ermöglichen

„E-Rezepte“ werden in den Praxen bisher meist ausgedruckt. Als alternativen Anzeigeweg können sie aber auch auf den Displays der Lesegeräte für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) angezeigt werden und dort von den Patientinnen und Patienten gescannt werden. Dadurch wird der Papierausdruck vermieden und die Patientinnen und Patienten verlassen die Praxis mit der Gewissheit, dass sie ein E-Rezept besitzen und können es direkt der Apotheke ihrer Wahl zuweisen (Verfügbarkeitsanfrage, Botendienst oder Lieferung).

5. Neue digitale Übertragungswege ermöglichen

Vor dem Hintergrund der komplexen Anmeldeprozesse sollten neben den etablierten Übertragungswegen weitere digitale, patientenfreundliche Möglichkeiten (z.B. APPs) zugelassen werden.

Mehrwertanbietern sollte es ermöglicht werden, elektronische Verordnungen zur Weiterverarbeitung zu erhalten. Hierzu muss es für diese Anbieter die Möglichkeit geben, diskriminierungsfrei an die Telematikinfrastruktur angebunden zu werden. Voraussetzung sollte dabei sein, dass die Anbieter die notwendigen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit erfüllen.

6. Erlaubnis zur Verwendung des rosa A5-Blankopapiers der KV

Durch die Verwendung des rosa Sicherheitspapiers erhält der Patient einen wertigen, vertrauten „Rezept“-Ausdruck. Dadurch reduziert sich auch der Erklär-Aufwand in der Praxis erheblich. Die technisch-organisatorischen Prozesse bei der Umstellung der Praxis-IT werden erleichtert, da das vorhandene  - für Überweisungen verwendete - Druckerfach genutzt werden kann. Die Verwendung des rosa A5-Blankopapiers der KV für den Ausdruck muss explizit für eine begrenzte Zeit gestattet und von den Krankenkassen bezahlt werden.

7. Sichere Identifizierung der Patienten auch in Arztpraxen

Die freiwillige Identifizierung von Versicherten zur niedrigschwelligen Nutzung von TI-Anwendungen durch Apotheken („Apotheken-Ident“) muss auch auf ärztliche Betriebsstätten („Praxis-Ident“) ausgeweitet und entsprechend vergütet werden, um einen problemlosen und niedrigschwelligen Umstieg der Versicherten auf die digitale Versichertenidentität zu gewährleisten. Die Aufklärung der Patienten über die Identifikationsprozesse muss Teil der Informationskampagne sein.

8. Anreizsystem für die ersten Heilberufsangehörigen und KVen bzw. KZVen

Für Heilberufsangehörige, Leistungserbringer und KVen bzw. KZVen, die sich für die frühzeitige Einführung des E-Rezeptes einsetzen, sind Anreizsysteme zu implementieren. Diese Vergütung ist zeitlich befristet bis zur neuen E-Rezept Pflicht.

9. Vergütung für elektronische Folge- und Mehrfachverordnungen anpassen

Gerade ältere Patientinnen und Patienten bzw. chronisch kranke Menschen sehen im E-Rezept einen besonders großen Vorteil. Doch für Heilberufsangehörige ist die Ausstellung von Folge- und Mehrfachverordnungen aktuell monetär geringer vergütet, als wenn die Patientinnen und Patienten physisch in der Praxis erscheinen. Hier ist eine Gleichstellung der Vergütung notwendig – die Quartalspauschale muss bei elektronischen Folge- und Mehrfachverordnungen unabhängig von der physischen Präsenz des/der Versicherten in der Arztpraxis abgerechnet werden können.

10. Retaxationssicherheit für Apotheken und weitere Leistungserbringer

Das E-Rezept muss formale Fehler im Datensatz ausschließen. Außerdem dürfen keine neuen Retaxationsmöglichkeiten im Vergleich zum Muster 16 geschaffen werden. So verhindert beispielsweise die zusätzliche, neue verpflichtende Chargenübermittlung den Einsatz des E-Rezeptes in Spezialversorgungsfällen wie der Pflege.  

11. Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit vor Bürokratie

Bei der Umsetzung digitaler Lösungen im Gesundheitswesen ist es von entscheidender Bedeutung, dass Nutzerfreundlichkeit, Datenschutz und Datensicherheit Hand in Hand gehen. Bürokratische Hürden sollten mit der Einführung des E-Rezepts und weiterer TI-Anwendungen abgebaut werden. Dies erfordert auch für zukünftige Vorhaben eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten, um frühzeitig gemeinsame Lösungswege zu finden.

Wir finden den Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wichtig und gut und liefern mit den 11 Thesen konkrete Vorschläge aus der Praxis, die eine erfolgreiche Umsetzung und Akzeptanz erst ermöglichen. Denn wir wissen alle: Das E-Rezept hatte einen fatalen Start. Jetzt ist die einmalige Chance, dies auszuräumen und eine gemeinsame Reise in die digitale Gesundheitswelt zu gestalten.

Ralf König

1. Vorsitzender der E-Rezept-Enthusiasten

Die Apotheken sind seit langem E-Rezept-ready. Wir sind technisch und organisatorisch in der Lage, E-Rezepte einzulösen. Uns geht es jetzt darum, die wichtigen Vorteile, die das E-Rezept auf einer inhaltlich, medizinisch-pharmazeutischen Ebene mit sich bringt, auch zu nutzen. Deshalb begrüßen wir, dass der versorgungsrelevante Nutzen des E-Rezepts zum Tragen kommt, indem man es mit anderen (TI-) Anwendungen verbindet. Hier bietet sich zum Beispiel die automatische Integration der strukturierten Medikationsdaten sowohl in die ePA als auch in den elektronischen Medikationsplan (eMP) an.

Jan Reuter

Apotheker aus Walldürn

Seitdem wir das E-Rezept eingeführt haben, sind Verordnungen für unsere Patientinnen und Patienten schneller verfügbar. Zum einen aufgrund der Abläufe von der Bestellung bis zur Erstellung und Signatur der Rezepte in der Praxis, aber auch durch die Möglichkeiten elektronischer Übertragung. Digitalisierung – intelligent eingesetzt – schafft so mehr Zeit für das Wesentliche, mehr persönliche Zeit für unsere Patientinnen und Patienten – sowohl durch Ärztinnen und Ärzte als auch durch medizinische Fachangestellte. Mit weiteren digitalen Übertragungswegen werden diese dann zum echten Gamechanger im Rahmen der Videosprechstunden und anderen digitalen Versorgungsangeboten.

Stefan Spieren

MBA, Facharzt für Allgemeinmedizin und Facharzt für Allgemeinchirurgie in Wenden