Kommentierung des Referentenentwurfs zum Digitalgesetz

Im Spiegel der 11 Thesen der E-Rezept-Enthusiasten

(Berlin, August 2023) Die E-Rezept Enthusiasten haben am 23. März elf Thesen für eine erfolgreiche und nachhaltige Einführung und Umsetzung des E-Rezepts präsentiert. Viele der Thesen finden sich im Referentenentwurf wieder, den das BMG vorgestellt hat.
Hier erfolgt eine ausführliche Kommentierung, welche Punkte aus Sicht der E-Rezept Enthusiasten jetzt noch für den tatsächlichen Gesetzestext wichtig sind.

These 1: Verpflichtend statt verbindlich

Die E-Rezept-Enthusiasten begrüßen die Absicht des Bundesministeriums für Gesundheit, im Zuge der angekündigten E-Health-Gesetzgebung das E-Rezept zu einem verbindlichen Standard in der Arzneimittelversorgung zum 1. Januar 2024 zu machen. Damit einhergehen muss eine bundesweit verpflichtende Nutzung des elektronischen Rezeptes durch alle Heilberufsangehörigen. Einer der möglichen Wege, um Zugangs- und Barrierefreiheit für alle zu bieten, ist der Abruf des E-Rezeptes per elektronischer Gesundheitskarte (eGK). Dieser sollte schnellstmöglich für alle Beteiligten zur Verfügung gestellt werden.

Kommentar:

Der Referentenentwurf enthält entsprechende Passagen zur Verpflichtung, was wir begrüßen. Dass die E-Rezept-Funktion verpflichtend nachgewiesen werden muss, ist ein unverzichtbarer Bestandteil. Wir empfehlen sogar, dass das E-Rezept im PVA-System als „default“, also als Standardweg voreingestellt wird und dafür im Jahr 2024 quartalsweise ein Nachweis zu erbringen ist.

Weiters regen wir an, dass die E-Rezeptquote auf KV-Ebene und nicht nur zentral für Deutschland auf Ebene der KBV erfolgen muss.

 

These 2: Information der Patienten und Unterstützung der Heilberufsangehörigen durch Selbstverwaltung & Politik

Um die flächendeckende Einführung des E-Rezepts in Deutschland erfolgreich zu gestalten, müssen die gesetzlichen Krankenkassen ab dem 01.07.2023 eine wirksame, nutzer- und nutzenorientierte Kommunikation starten und damit den Beschluss der gematik Gesellschafterversammlung umsetzen. Die Versicherten müssen gründlich über das E-Rezept, seine Vorteile und Einsatzmöglichkeiten informiert werden, um die Heilberufsangehörigen bei der Einführung zu entlasten.

Es muss eine breit angelegte Informationskampagne geben.

KVen, KZVen und die DKG müssen ihren Mitgliedern mindestens sechs Monate vor der flächendeckenden Umsetzung Unterstützungsleistungen und zusätzliche Ressourcen im Hinblick auf die Anpassung der Praxisabläufe bereitstellen.

Kommentar:

Es ist völlig richtig und auch unverzichtbar, dass die Information an die Patient:innen und Leistungserbringer im Entwurf geregelt ist. Das war eine wichtige Forderung der E-Rezept Enthusiasten in These 2.

 

These 3: Verknüpfung des E-Rezepts mit dem eMP und anderen TI-Anwendungen

Wir begrüßen, dass in der Digitalisierungsstrategie der versorgungsrelevante Nutzen des E-Rezepts zum Tragen kommt, indem man es mit anderen (TI-) Anwendungen verbindet. Hier bietet sich z. B. die automatische Integration der strukturierten Medikationsdaten sowohl in die ePA als auch in den elektronischen Medikationsplan (eMP) an. Dadurch erhalten die verschreibenden Ärzte eine höhere Verordnungssicherheit und die Apotheken haben umfassendere Informationen für pharmazeutische Beratungsleistungen (AMTS).

Kommentar:

Die Verknüpfung des E-Rezepts mit eMP war eine wichtige Forderung der E-Rezept Enthusiasten in These 3. Das muss auch im Gesetz beibehalten werden und automatisiert ablaufen. Im Rahmen der ePA werden die Apotheken hier auch entsprechend vergütet.

 

These 4: Papier vermeiden - neue digitale Anzeigewege ermöglichen

„E-Rezepte“ werden in den Praxen bisher meist ausgedruckt. Als alternative Anzeigeweg können sie aber auch auf den Displays der Lesegeräte für die elektronische Gesundheitskarte (eGK) angezeigt werden und dort von den Patientinnen und Patienten gescannt werden. Dadurch wird der Papierausdruck vermieden und die Patientinnen und Patienten verlassen die Praxis mit der Gewissheit, dass sie ein E-Rezept besitzen und können es direkt der Apotheke ihrer Wahl zuweisen (Verfügbarkeitsanfrage, Botendienst oder Lieferung).

These 5: Neue digitale Übertragungswege ermöglichen

Vor dem Hintergrund der komplexen Anmeldeprozesse sollten neben den etablierten Übertragungswegen weitere digitale, patientenfreundliche Möglichkeiten (z.B. APPs) zugelassen werden. Mehrwertanbietern sollte es ermöglicht werden, elektronische Verordnungen zur Weiterverarbeitung zu erhalten. Hierzu muss es für diese Anbieter die Möglichkeit geben, diskriminierungsfrei an die Telematikinfrastruktur angebunden zu werden. Voraussetzung sollte dabei sein, dass die Anbieter die notwendigen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit erfüllen.

Kommentar zu Thesen 4 & 5:

Wir begrüßen, dass im Referentenentwurf auch neue Übertragungswege geregelt werden.

Allerdings ist dies nicht vollständig, denn auch Anzeigemöglichkeiten wie die Scan-Lösung brauchen technische Unterstützung. Hier ersuchen wir das BMG, den entsprechenden Auftrag an die Gematik zu erteilen, damit auch die Scan-Lösung über den Konnektor abgewickelt werden kann (§ 311):

Wir begrüßen die Spezifikation zur Übertragung des Tokens auch außerhalb der Telematik-Infrastruktur (§360, 16). In diesem Zusammenhang steht auch der Satz: „Es dürfen keine Apotheken oder Gruppen von Apotheken bevorzugt werden.“ Unverständlich ist, was unter einer Gruppe gemeint ist. Um die freie Apothekenwahl aus Patientensicht zu unterstreichen empfehlen wir die Formulierung:
„Aus Patientensicht dürfen keine Apotheken bevorzugt werden“.

 

These 6: Erlaubnis zur Verwendung des rosa A5-Blankopapiers der KV

Durch die Verwendung des rosa Sicherheitspapiers erhält der Patient einen wertigen, vertrauten „Rezept“-Ausdruck. Dadurch reduziert sich auch der Erklär-Aufwand in der Praxis erheblich. Die technisch-organisatorischen Prozesse bei der Umstellung der Praxis-IT werden erleichtert, da das vorhandene - für Überweisungen verwendete - Druckerfach genutzt werden kann. Die Verwendung des rosa A5-Blankopapiers der KV für den Ausdruck muss explizit für eine begrenzte Zeit gestattet und von den Krankenkassen bezahlt werden.

Kommentar:

Der Vorschlag, weiter das rosa A5-Papier einzusetzen, wurde nicht aufgegriffen. Der wichtige Vorschlag kommt aus der Praxis und hat einen sehr großen Impakt auf die Akzeptanz des E-Rezepts bei Ärztinnen und Ärzten sowie Patientinnen und Patienten. Auch wenn es keine digitale Maßnahme ist, so erleichtert diese Handhabung den Ablauf in der Arztpraxis enorm. Wir empfehlen, dies zumindest vorübergehend auch gesetzlich zu regeln.

 

These 7: Sichere Identifizierung der Patienten auch in Arztpraxen

Die freiwillige Identifizierung von Versicherten zur niedrigschwelligen Nutzung von TI-Anwendungen durch Apotheken („Apotheken-Ident“) muss auch auf ärztliche Betriebsstätten („Praxis-Ident“) ausgeweitet und entsprechend vergütet werden, um einen problemlosen und niedrigschwelligen Umstieg der Versicherten auf die digitale Versichertenidentität zu gewährleisten. Die Aufklärung der Patienten über die Identifikationsprozesse muss Teil der Informationskampagne sein.

Kommentar:

Wir freuen uns, dass dieser Punkt im Referentenentwurf umgesetzt wurde und empfehlen, daran festzuhalten.

 

These 8: Anreizsystem für die ersten Heilberufsangehörigen und KVen bzw. KZVen

Für Heilberufsangehörige, Leistungserbringer und KVen bzw. KZVen, die sich für die frühzeitige Einführung des E-Rezeptes einsetzen, sind Anreizsysteme zu implementieren. Diese Vergütung ist zeitlich befristet bis zur neuen E-Rezept Pflicht.

Kein Kommentar

 

These 9: Vergütung für elektronische Folge- und Mehrfachverordnungen anpassen

Gerade ältere Patientinnen und Patienten bzw. chronisch kranke Menschen sehen im E-Rezept einen besonders großen Vorteil. Doch für Heilberufsangehörige ist die Ausstellung von Folge- und Mehrfachverordnungen aktuell monetär geringer vergütet, als wenn die Patientinnen und Patienten physisch in der Praxis erscheinen. Hier ist eine Anpassung der Vergütung notwendig – die Quartalspauschale muss bei elektronischen Folge- und Mehrfachverordnungen unabhängig von der physischen Präsenz des/der Versicherten in der Arztpraxis abgerechnet werden können.

Kommentar:

Die ärztliche Vergütung muss dringend reformiert und im Zuge der Gesetzgebung an die neuen digitalen Prozesse angepasst werden. Noch ist dieser Punkt im Referentenentwurf nicht ausreichend geregelt!

Wir begrüßen den Wegfall der 30%-Grenze für telemedizinische Angebote und das Angebot der assistierten Telemedizin in Apotheken. Wichtig ist jedoch die vollständige Gleichstellung bei der Honorierung von telemedizinischen Leistungen.

Um der Forderung der Telemedizin gerecht werden zu können, braucht es auch eine Reform des §9 Heilmittelwerbegesetzes.

 

These 10: Retaxationsicherheit für Apotheken und weitere Leistungserbringer

Das E-Rezept muss formale Fehler im Datensatz ausschließen. Außerdem dürfen keine neuen Retaxationsmöglichkeiten im Vergleich zum Muster 16 geschaffen werden. So verhindert beispielsweise die zusätzliche, neue verpflichtende Chargenübermittlung den Einsatz des E-Rezeptes in Spezialversorgungsfällen wie der Pflege.

Kommentar:

Wir begrüßen, dass Retaxationssicherheit nun in ersten Schritten im Gesetz zur „Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG) beschlossen wurde. Aber die Ausführungen gehen nicht weit genug. Es muss festgehalten werden, dass durch das E-Rezept keine weiteren Möglichkeiten zur Retaxation geschaffen werden.

Neue mögliche Retaxationsgründe, insbesondere im Bereich der Spezialversorgungen, wie beispielsweise der verpflichtenden Übertragung der Charge bei der Verblisterung im Rahmen der Heimversorgung, benötigen Klärung bis zur verpflichtenden Einführung im Januar 2024.

 

These 11: Nutzerfreundlichkeit und Sicherheit vor Bürokratie

Bei der Umsetzung digitaler Lösungen im Gesundheitswesen ist es von entscheidender Bedeutung, dass Nutzerfreundlichkeit, Datenschutz und Datensicherheit Hand in Hand gehen. Bürokratische Hürden sollten mit der Einführung des E-Rezepts und weiterer TI-Anwendungen abgebaut werden.  Dies erfordert auch für zukünftige Vorhaben eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten, um frühzeitig gemeinsame Lösungswege zu finden.

Kommentar:

Zum Punkt „Papier vermeiden“ wäre noch eine weitere Änderung sinnvoll:

Eine klassische Hausärztin bzw. Hausarzt unterschreibt am Tag überwiegend drei Arten von Dokumenten. Das Rezept, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und den Überweisungsschein. Das E-Rezept und die eAU gibt es bereits. Nur die Überweisung ist noch immer auf Papier. Daher sollte auch die Überweisung voll digital erfolgen, damit die Ärzteschaft in ihrer täglichen Arbeit weiter entlastet wird. Wir fordern daher ein fixes Datum für die elektronische Überweisung in der Arztpraxis (zum Beispiel 1. Januar 2025).

 

ZUSATZ: Digitalbeirat

Wir begrüßen die Initiative, dass die Gesellschaft für Telematik einen Digitalbeirat bestellt. Gerne bringen die E-Rezept Enthusiasten ihre Erfahrungen aus der Praxis in den entsprechenden Gremien mit ein und stehen für Gespräche zur Verfügung.

 

Ãœber die E-Rezept-Enthusiasten

Der am 10. Mai 2022 in Berlin gegründete Verein der E-Rezept-Enthusiasten will die Einführung des E-Rezepts in Deutschland vorantreiben. Übergeordnetes Ziel ist es, die Digitalisierung im Gesundheitswesen in Deutschland zu unterstützen und die medizinische Versorgung der Patient:innen zu verbessern. Zu den Mitgliedern gehören Vertreter:innen aus Ärzteschaft, Apothekenwesen, Digital-, IT- und Medienunternehmen sowie gemeinnützige Organisationen. www.erezept-enthusiasten.de

Kontakt:

Ralf König
1. Vorsitzender der E-Rezept Enthusiasten
Ralf.koenig@erezept-enthusiasten.de
Tel. 0049 175 569 56 98

Gudrun Kreutner
Strategie und Kommunikation
gk@gudrunkreutner.com
Tel. 0049 151 538 50049

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